Nach dem ihr mir gestern einige Anregungen bezüglich des Blogs und der Themen gegeben habt (übrigens, vielen Dank noch mal dafür), möchte ich heute etwas über meine Sozialphobie schreiben. Ich werde keine tiefenpsychologischen Fakten aufzählen, sondern nur über mich persönlich schreiben.
Im September 2011 fuhr ich gerade zur Arbeit, als ich im Auto eine Panikattacke bekam. Ich wusste nicht, dass es eine ist, wunderte mich nur über das plötzliche Zittern am ganzen Körper, das Herzrasen und die Schweissausbrüche. Ich konnte mich nicht mehr kontrollieren und liess mich, endlich auf Arbeit angekommen, sofort wieder nach Hause fahren. Dort beruhigte ich mich wieder und alles war gut. Am nächsten Morgen das gleiche Spiel – ich wollte zur Arbeit und bekam sofort wieder eine Panikattacke. Also angerufen, krank gemeldet – und schon ging es mir besser. Als ich mich endlich mit Hilfe meiner ältesten Tochter zum Arzt traute, wurden mir Panikattacken bescheinigt und der Rat gegeben, einen Psychiater oder Psychologen aufzusuchen. Mehr nicht. Ich fühlte mich hilflos. Inzwischen merkte ich, dass die Attacken immer auftraten, wenn ich gezwungen war, das Haus zu verlassen oder ich in Kontakt mit der Aussenwelt treten sollte. Die nachfolgenden Arztbesuche waren die reinste Hölle für mich. Ich bekam ständig andere Tabletten, die nicht halfen und die Suche nach einem Psych gestaltete sich extrem schwierig. Nach drei Monaten bekam ich endlich einen Termin und die erste Diagnose lautete Agoraphobie. Ich war froh, endlich zu wissen was mit mir los ist, aber das war erst die Spitze des Eisberges. In unzähligen Gesprächen kristallisierte sich meine grösste Angst heraus – die vor Menschen. Schon ein Telefonanruf ist für mich die Hölle und ein Gespräch mit wildfremden Menschen versetzt mich in Todesangst. Mein Psych ist ein sehr feinfühliger Mensch, der mich behutsam aus der Reserve lockte, aber eine Lösung hatte auch er nicht. Wir probierten und probieren noch heute verschiedene Medikamente aus, ohne Erfolg. Zudem bekam ich nach einiger Zeit Depressionen. Ist ja auch klar, man sitzt zu Hause, fühlt sich gefangen und so hilflos, da muss man ja verrückt werden. Ich muss sagen, manchmal hatte ich echt keine Lust mehr und habe über Selbstmord nachgedacht. Nächtelang sass ich heulend im Bad, tagsüber war ich zu nichts mehr zu gebrauchen und keine Lösung in Sicht. Krankenkasse und Rentenversicherung waren und sind auch keine Hilfe – weder Therapiestunden noch eine Reha wurden genehmigt. Vielen Dank. Das schwarze Loch, in das ich fiel, wurde immer tiefer. Die einzige Kommunikationsfähigkeit die ich noch nutzen konnte war das Internet. Und da tat sich 2015 echt ein Lichtblick auf – ich lernte meinen Partner kennen. Es dauerte lange bis ich bereit war auch nur mit ihm zu telefonieren und unser erstes Treffen kam noch viel später zustande. Aber er hatte von Anfang an Verständnis für meine Lage und schaffte es, mich langsam aus meinem Loch zu befreien. Ich hatte endlich wieder Freude am Leben. Auch er schaffte es zwar leider nicht, mich von meinen Ängsten zu befreien, aber ich lernte endlich damit umzugehen. Wenn ich nicht raus gehen kann, dann ist das eben so. Und wenn das Telefon klingelt, wer hindert mich, nicht ranzugehen. Ich habe mich inzwischen mit meiner Angst arrangiert. Sie ist da, ich versuche damit zu leben und etwas daran zu ändern. Meine Fortschritte sind minimal und auch Rückschläge gehören dazu, aber hey – ich komme damit klar.
Schön geschrieben.
Bist du wieder arbeiten?
Nein, ich bin zuhause
Das hast du sehr schön geschrieben und ich drücke dir die Daumen das es in weiteren kleinen Schritten immer besser wird und Rückschläge gehören leider immer wieder dazu
Sehr schön geschrieben,es geht sehr vielen Menschen so, und es ist immer schlimm wenn man keine Hilfe bekommt oder nicht helfen kann.Mir geht es genauso, und wenn ich keine Familie hätte wäre ich echt aufgeschmissen.